Elterngespräche – für niemanden einfach. Eltern fragen sich: Ist mein Kind das „Problemkind“? Lehrkräfte stehen unter Druck: Zu viele Schüler, zu wenig Zeit. Und das Kind? Spürt, dass Schule anstrengend ist und es „irgendwie falsch“ scheint. Kein Wunder, dass diese Gespräche oft angespannt sind. Doch es gibt Wege, gemeinsam Lösungen zu finden.– und mit drei einfachen Strategien kannst du viel erreichen.
„Sie machen es sich ja ganz schön leicht!“ – Zack! Das hatte gesessen, was mir vor einigen Jahren die Grundschullehrerin meines Sohnes in einem Elterngespräch vor den Latz geknallt hat. Für sie stand fest: Alles eine Frage der Erziehung. Was war da bloß los bei mir zu Hause? Ah ja, Scheidungskind, kein Wunder. Ich war den Tränen nahe, fühlte mich wie von einem Güterzug überfahren und wusste lange nicht, wie ich damit umgehen sollte. Die Verhaltensweisen meines Sohnes, auf die sie sich bezog: Mein Sohn vergaß seinen Ranzen, obwohl er ihn beim Ins Auto Steigen schon auf der Schulter hatte. Nach dem Sportunterricht sah er außerdem aus wie ein gerupftes Huhn: Die Sporthose noch an, am linken Fuß ein Turnschuh, am rechten den Straßenschuh – und wo war überhaupt sein Turnbeutel? Und da saß ich dann, auf einem Kinderstuhl, der Lehrerin gegenüber und kam mir selbst wie eine Schülerin vor.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt: Wenn ich mich auf das Gespräch mit der Lehrerin vorbereitet hätte, hätten wir zusammen für meinen Sohn möglicherweise mehr erreicht. So fiel er einfach durchs Raster.
Du denkst, Vorbereitung dauert ewig und ist anstrengend? Das ist vielleicht zu kurz gedacht: Keine Vorbereitung wäre anstrengend, und zwar im Nachhinein. Dabei brauchst du nur ein paar Dinge zu beachten:
Wirklich nie zwischen Tür und Angel? Wenn überhaupt – dann nur kurz!
Ein freundliches Hallo, ein kurzer Blickkontakt, eine wertschätzende Frage – das stärkt die Beziehung. Doch für alles, was mehr Zeit und Ruhe braucht, ist ein anderes Gespräch besser.
BEISPIEL 1
Typische Situation – So kannst du reagieren:
Lehrkraft: „Sie müssen verstehen, dass Ihr Kind hier keine Extrawurst bekommen kann.“
Eltern: „Ich verstehe, dass es für Sie wichtig ist, fair gegenüber allen Schülern zu sein. Mir geht es nicht um eine Sonderbehandlung, sondern darum, dass mein Kind die gleichen Chancen bekommt wie andere. Sein ADHS führt dazu, dass er oft mit dem Stuhl kippt oder mit dem Stift klickt – das nennt man Fidgeting, es hilft ihm, sich zu konzentrieren. Können wir zusammen nach einer Möglichkeit suchen, das so zu steuern, dass es Ihren Unterricht nicht stört und ihm gleichzeitig hilft?“
BEISPIEL 2
Typische Situation – So kannst du reagieren:
Lehrkraft: „ADHS ist doch heutzutage eine Modediagnose. Jedes zweite Kind soll plötzlich ADHS haben. Vielleicht braucht Ihr Kind einfach mehr Konsequenz?“
Eltern: „Ich verstehe, dass es immer mehr Diagnosen gibt und das Fragen aufwirft. Ich hatte mich das zuerst auch selbst gefragt. Die Diagnose meines Kindes wurde aber von Ärzten sorgfältig gestellt. Sind Sie damit einverstanden, dass wir gemeinsam Ideen sammeln, was an Unterstützung möglich sein könnte: Sie aus Ihrer Erfahrung und wir aus unserer heraus?
Wenn du ein Kind mit ADHS hast, stehen ihm in der Schule bestimmte Rechte zu. Viele Eltern wissen das nicht – und leider auch nicht alle Lehrkräfte. Deshalb ist es wichtig, dass du informiert bist! Nur wer seine Rechte kennt, kann sich auch dafür einsetzen.
Hier sind einige Punkte, die du kennen solltest:
Warum das wichtig ist:
Eltern, die Fragen stellen – besonders zu den Rechten ihres Kindes –, zeigen damit, dass sie sich aktiv für das Wohl ihres Kindes einsetzen. Viele Pädagogen achten darauf, was einem Kind guttut. Für sie spielt der Begriff des Kindeswohls (und dessen mögliche Gefährdung) eine wichtige Rolle. Wenn du genau nachhakst, wirkst du also sicherer und zeigst, dass du dich kümmerst. Du störst also nicht, wenn du fragst – du setzt dich ein. Das schafft eine Gesprächssituation, in der ihr nicht gegeneinander, sondern miteinander nach Wegen sucht – wie zwei Menschen, die auf derselben Seite eines Problems stehen.
Was bedeutet das?
Hör gut zu und lass die Lehrkraft ausreden. Wenn sie spricht, nicke, aber unterbrich nicht. Wenn du unsicher bist, frag nach: „Könnten Sie mir das näher erklären?“ oder „Ich verstehe, dass Sie sagen, mein Kind ist oft unruhig, aber was genau meinen Sie damit?“
Wie geht das ganz praktisch?
Warum das wichtig ist:
Wer aktiv zuhört, zeigt Engagement. Du bist nicht einfach nur da, sondern du nimmst Einfluss. Wenn du nachfragst, gewinnst du Respekt. Das hilft, Missverständnisse zu klären und die Lehrkraft merkt, dass du bereit bist, zusammenzuarbeiten.
Tipp 1: Bereite dich vor
Schreib dir vorher auf, was du sagen willst, sammle konkrete Beispiele und plane das Gespräch bewusst. So wirst du ernster genommen und behältst den Überblick.
Tipp 2: Kenne die Rechte deines Kindes
Dein Kind hat Anspruch auf Unterstützung – zum Beispiel individuelle Lösungen, Nachteilsausgleich oder Notenschutz. Stell gezielt Fragen, um herauszufinden, welche Möglichkeiten es an eurer Schule gibt.
Tipp 3: Höre aktiv zu
Lass die Lehrkraft ausreden, frag nach und fasse das Gehörte in eigenen Worten zusammen. Das zeigt, dass du nicht nur da bist, sondern mitarbeitest.
Und übrigens:
Diese Strategien helfen nicht nur in der Schule – du kannst sie auch bei Gesprächen mit Ärzten, Therapeuten oder anderen Betreuungspersonen nutzen.
Falls ein Gespräch allerdings doch mal schwierig wird…
…und du nicht weißt, wie du auf abwertende Bemerkungen reagieren kannst: Schau dir meinen Schlagfertigkeits-Spickzettel für ADHS-Eltern an – für 0,- Euro!